3 Fragen an Mikis – über den Jungfernstieg, Heimatgefühle und Expat-Communities

„Mikis aus Bremen“, wie ihn Bento in einem Feature nannte, ist in Myanmar ein Star. Als Rapper auf Youtube, als Model in Yangoner Modemagazinen, als Schauspieler in burmesischen Thrillerserien und Krimis ist er ziemlich präsent. Bei meinem kleinen Test in Yangon wussten 100% der Taxifahrer Bescheid: „Yes, Mikis!!“ Sein Alleinstellungsmerkmal ist, dass er fließend burmesisch spricht, das kriegt sonst kein Westler hin. Wir haben uns bei einer gemeinsamen Veranstaltung kennen gelernt und ich mochte seine direkte, offene Art mit den myanmarischen KollegInnen umzugehen. Ich wollte wissen, wie diese Verbindung über die Sprache sein Ankommen hier, seine Verortung in der myanmarischen Gesellschaft, sein Bild von Heimat verändert haben – und habe ihn auf einen Kaffee im Goethe Institut Yangon getroffen.

dl?!: Wo ist für Dich Zuhause? Wo ist Heimat?
Mikis: Ich habe lange in Hamburg gelebt, da am Jungfernstieg gearbeitet und ich werde ganz oft gefragt, was ist der Unterschied zwischen Deutschland und Myanmar. Da weißt Du natürlich nicht, wo Du anfangen sollst, weil eigentlich alles grundsätzlich verschieden ist, aber ich erzähl immer eine Anekdote, die sich wirklich so in mein Gehirn rein gebrannt hat. Am Jungfernstieg, im poshen Distrikt, habe ich mal irgendwo nach dem Weg gefragt und der Typ meinte zu mir „Sorry, ich hab nix!“

dl?!: (hat 10 Jahre in Hamburg gelebt): lacht
Mikis: Und das fand ich als Antwort so geil: gar kein Bock auf Interaktion und möglichst anonym, und das hast Du hier halt nie. Hier würdest Du nach dem Weg fragen, und die würden Dich noch begleiten.

dl?!: Die würden Dir sogar Antworten geben, wenn sie es gar nicht wissen.
Mikis: Genau, die würden noch mit Dir auf dem Weg n Tee trinken. Und natürlich ist die Sprache der absolute Schlüssel. Das ist auch Teil meiner Persönlichkeit. Wenn ich irgendwo bin und keinen kenne, damit kann ich nicht umgehen. Ich muss dann Leute kennenlernen und ich setz mich dann auch irgendwo dazu und frag „Darf ich n Kaffe mit Euch trinken?“ oder so.
Zu der Heimatfrage gibt es ja diesen Spruch 'Home is where you make it'. So abgedroschen das auch klingt, das stimmt für mich schon. Wo meine Mutter ist, ist Zuhause, Bremen ist für mich immer Zuhause, weil ich mit geschlossenen Augen durch die Stadt laufen kann, und inzwischen ist Yangon für mich auch Zuhause, weil ich einfach meine Community hier habe. Das ist für mich wirklich das Ausschlaggebende. Ich könnte glaube ich egal wo ich bin Fuß fassen, solange ich eben Leute um mich herum hab, mit denen ich meine Gedanken teilen kann.

dl?!: Vermisst Du das eine, wenn Du im Anderen bist?
Mikis: Ne. Ich denke mir jedes Mal wenn ich nach Deutschland oder hier hin zurück fliege, wie abgefahren es ist, dass Du in sone Maschine rein steigst und am anderen Ende der Welt wieder rauskommst und grade mal eben ein Tag um ist. Du stehst auf, machst die Augen auf und bist auf einmal in nem kalten Land. Und diese Möglichkeit, die wir haben, dass wir theoretisch immer wieder zurück können, das gibt mir das Gefühl von 'vogelfrei'. Ich fühl mich hier nicht eingesperrt. Klar, wenn ich manchmal sehe, wie die in Deutschland bei gutem Wetter an der Weser sitzen, dann würde ich auch gerne da sein, aber man kann nicht überall zur gleichen Zeit sein.

dl?!: Ich glaube der Schlüssel ist, dass du hier echte Beziehungen hast. Mir geht’s auch um dieses in-Beziehung-sein. Ich halte einfach das allein sein nicht gut aus.
Mikis: Früher, als ich noch in Mae Sot gelebt habe, das war 2010/2011, noch zur Zeit der Diktatur, da war die Grenze dicht. Burma war son Mysterium. Da waren immer die ganzen NGOs, klar gibt’s da solche und solche, aber ich muss sagen, die meisten wussten immer alles besser, waren super politisch und die einzigen, die wussten was hier wirklich abgeht..., und letztendlich sind das auch nur irgendwelche besser gestellten Langnasen, die hier Geld machen.

dl?!:Ich glaube, dass es meistens gar nicht Geld ist. Es geht um Dich, es sind Deine Fantasien, es ist Dein Ego.
Mikis: Ich bin der Helfer, ich bringe hier die bessere Welt und hab Impact.

dl?!: Und dann kommst du wieder, hast son paar Bänder am Arm und sitzt in Berlin am Tisch und haust Deine coolen Stories raus.
Ich glaube nicht, dass diese Art von Hilfe funktioniert.
Mikis: Ich finde prinzipiell, wer bin Ich denn, mir anzumaßen, dass ich sage ‚ich weiß, wie es abzulaufen hat, ich weiß was Ihr braucht‘.
Ich denke, wenn Du irgendwo bist, musst Du Dich erstmal umschauen und gucken, was die Locals eigentlich denken und brauchen und was die Leute antreibt. Wenn Du immer in dieser Expat Community abhängst und über Geschäftszahlen redest und Midnight Cruises machst, das bringt mir nichts. Ich will wissen was die Leute denken, was sie nervt und was sie gut finden an ihrer Politik, und was sie früher gedacht haben.

Einmal wurde ich 2011 an der Grenze zu Thailand festgenommen und musste mich freikaufen, weil ich gesagt habe ‚General Than Shwe mag doch keiner, oder?‘ Wir haben uns da in einem Teeladen unterhalten. Es gibt auch ne super Dokumentation, die heißt ‚Yangon Calling – Punk in Myanmar‘, in der es darum geht, dass Du im Teeladen nicht offen reden kannst und an den Wänden und Türen gelauscht wird. Und dann denke ich mir, wie abgefahren, dass Du das jetzt theoretisch tun kannst! Du kannst Dich jetzt politisch äußern, aber die Leute, die da sitzen, sind ja immer noch die Gleichen. Und dann sitze ich da so und gucke mich um und denke, wer von den Leuten wäre jetzt ein Snitch gewesen?

dl?!: Das erinnert mich an Kambodscha, da bin ich eine Zeit lang oft gewesen. Da gab es auch dieses ganze Spitzelsystem der Khmers rouges und das hat das Vertrauen auf der Dorfebene komplett zerstört. Das sieht man selbst 30 oder 40 Jahre später.
Mikis: Hier in der Öffentlichkeit, in nem Teeladen, habe ich noch nie mitbekommen, dass Leute offen über Politik reden, aber wenn ich im Taxi sitze, dann hauen die echt einen raus manchmal. Auch Aussagen, da hätte ich nie erwartet, dass die sich sowas trauen würden zu sagen, auch jetzt noch.


dl?!: Ich finde es gibt hier häufig so ein Frontstage-Backstage Verhalten in der Kommunikation, vielleicht entsteht das unter den Bedingungen von Diktatur. Du übst eine andere Art von Sprechen. Schau dir mal an, was wir jetzt für Diskussionen führen in Deutschland. Das sind ja jetzt 30 Jahre seit dem Ende der DDR. Und trotzdem diese Missverständnisse und die kulturellen Gräben, die da existieren. Ich befürchte, da steht den Burmesen noch einiges bevor.
Mikis: Ich weiß es nicht. Ich bin selber in der Demokratie geboren und habe die Wende gar nicht mitbekommen, aber ich denke, dass es eine Generation braucht, die in der Demokratie groß wird. Und erst dann, wenn die Kinder, die jetzt geboren werden in 20 Jahren selber Kinder bekommen, erst diese Kinder werden dann wirklich ne Demokratie erleben. Sofern es die dann noch geben wird…