dis:located!? - zwischen anywhere und somewhere
Dabei gehöre ich zu den Anywheres, wie David Goodhart sie nennt: Wissensarbeiter, mobil, flexibel. Theoretisch könnte ich überall leben, wo es WLAN und einen guten Cappuccino gibt. Offenheit und Ungebundenheit sind wichtige Werte für mich. Der Flughafen Bangkok ist mir so vertraut wie der S-Bahnhof in meinem Herkunftsdorf. Goodhart kontrastiert diesen Lebensstil mit dem der Somewheres, die stärker verwurzelt sind, auf Stabilität, Sicherheit und Gruppenzugehörigkeiten mehr Wert legen.
Wenn ich aber genau hinschaue, die Brüche in den Blick nehme, dann kommen mir anywhere und somewhere nicht als unauflöslicher Gegensatz vor. Sondern eher als Pole, zwischen denen wir oszillieren. Manche mehr, manche weniger. Ich habe anywhere und somewhere-Bedürfnisse, Werte und Anteile in mir, die oft zueinander in Spannung geraten. Wer kann das schon durchhalten, den ständigen Aufbruch zu leben ohne sich nach einem Ankommen zu sehnen? Kippt das nicht in Beliebigkeit? Und spätestens dann, wenn Verantwortung in Handeln übersetzt werden soll geraten sehr konkrete Orte und Beteiligte wieder in den Blick. Gleichzeitig ist kein somewhere-Kosmos hermetisch. Reisen, Internet und neue Menschen öffnen die Welt und unser "Wissensdurst und Erkenntnisdrang kann zwar erlahmen und ermüden, ist aber eine Ressource, die niemals ganz verschwindet" (Peter Dreitzel).
Bei dis:located!? geht es darum, diese Spannungen zu erkunden, nach Vereinbarkeiten zu suchen, die Widersprüche nicht zu verleugnen. Kein Wert ist eine Tugend sagt Matthias Varga von Kibéd. Und interpretiert das Wertequadrat neu, das auf der nikomachischen Ethik von Aristoteles beruht. Jeder Wert kann übertrieben und damit zu etwas Schädlichem werden. Deswegen braucht jeder Wert einen Gegenwert, der ihn in der Balance hält. dis:located! ist das Gefühl, das sich situativ, im Oszillieren, im Balancieren zwischen den Polen einstellt.