Das Booking.com Lächeln – Ergebnis aus 190 Bewertungen

„Sharing und Like stellen ein kommunikatives Glättemittel dar. Negativitäten werden eliminiert, weil sie Hindernisse für die beschleunigte Kommunikation darstellen“ (Byung-Chul Han: Die Errettung des Schönen).

Acht Jahre habe ich als Berater ein Förderprogramm zur Regionalentwicklung der Provinz Siem Reap in Kambodscha begleitet, das durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wird. Bis zu drei mal im Jahr war ich vor Ort und habe die Entwicklung der Touristikszene aus erster Hand miterlebt. Anfangs bin ich der Empfehlung der KollegInnen gefolgt und jedes Mal im selben Hotel abgestiegen. Dann habe ich angefangen, zu experimentieren, und mir das Hotel jedes Mal selbst gesucht, meist über Booking.com. Dabei ist mir ein neues Hotellerie-Phänomen aufgefallen: das Booking.com Lächeln.

Mir ist es insgesamt dreimal passiert, dass ich nach extensiver Lektüre der Booking.com Nutzerbewertungen eine neue Unterkunft probiert habe und mir spätestens nach dem Betreten des Zimmers nicht im geringsten erklären konnte, wie das jeweils exzellente Rating zustande kam.

Bis ich anfing, genauer auf die Begründung der Kommentare zu achten. Da stand nämlich:

  • „Tolles Personal, absolut hilfsbereit“.
  • „Excellent, helpful & caring staff“.
  • „The staff goes well beyond the extra mile for you!“
  • „Khmer people & their hospitality“.
  • „The staff were wonderful - made us feel as though we were the only guests in the entire place“.

Und tatsächlich, schon bei der Ankunft wurde ich geradezu überrollt von Freundlichkeit. Nach einem Tag kannte das gesamte Personal inklusive des Hilfskochs meinen Vornamen und benutzte den so häufig wie möglich. Kleine Witzchen und Neckereien wurden eingestreut, wo immer es eine Chance gab. Abends kam jemand zum Bettaufschlagen vorbei und falls ich es  zum Pool schaffte hatte ich einen Welcome Drink in der Hand bevor ich das Handtuch ablegen konnte. Eigentlich fand ich das aufgesetzt, und es ließ mich nicht vergessen, dass mein Zimmer hellhörig, die Möbel verschrammelt, das Frühstück einseitig waren. Aber als es dann ans Bewerten ging hatte ich die freundlichen Gesichter vor Augen und brachte es nicht übers Herz, ein schlechtes Feedback abzugeben.

Mittlerweile fällt mir das immer mehr auf, ganz starke beispielsweise bei AirBnB. Nicht nur die eigentliche Ware (= das Zimmer/die Wohnung), sondern der/die Verkäuferin rücken in den Vordergrund und werden quasi mitbewertet. In einem sehr engen Markt wie der Hotelszene in Siem Reap (es gibt Hunderte, extrem ähnliche Angebote) kann  die Freundlichkeit des Personals zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden. Mir ist das unheimlich, weil das künstliche Verhaltensweisen befördert, die v.a. von der finalen Bewertung her gedacht werden, und echten Kontakt verhindert. Und bei den Bewertungen hat man manchmal den Eindruck, dass es nicht gerade persönlichkeitsbildend ist, wie hier so mancher Kunde seine (Urteils-)Macht genießt.

Insgesamt scheint mir fraglich, ob das alles Sinn macht. Denn für den Käufer kann es bei der Suche über Portale wie Booking.com ja eigentlich nur darum gehen, den Kaufprozess zu optimieren. Die Recherche und das Vergleichen im Internet sind aber zeitintensiv und stressig. Und über Geschmack lässt sich ja nach wie vor gut streiten, auch 100 gute Bewertungen sind keine Garantie, dass es mir dort gefällt. Was Siem Reap anbelangt bin ich wieder zurück im Ausgangshotel. Nicht, weil es so großartig ist und positiv hervorsticht, aber mittlerweile bewerte ich die Routine höher, auch wenn das Personal meinen Namen immer noch nicht kennt.